Fehrenbach. Holistic Sustain.

Interview HausvonEden

Talk mit Christine Fehrenbach über holistisch nachhaltige Markenkonzepte

 

Talk mit Christine Fehrenbach über holistisch nachhaltige Markenkonzepte

Über nachhaltige Markenkonzepte als Chance für eine zukunftssichere Positionierung und den Erfolg ganzheitlicher Transformationsprozesse

Transparenz, Green Transition und Klimaschutz-Transformation sind Schlagwörter, die Unternehmen aktuell vor große Herausforderungen stellen. Immer mehr Studien bestätigen, dass der Übergang zu nachhaltigen Geschäftsmodellen zur Voraussetzung für Wettbewerbs- und Zukunftsfähigkeit geworden ist. Doch wie genau können Unternehmen - ob etabliert oder Startup - dieses Bewusstsein umsetzen? Auf genau diese Frage hat sich Christine Fehrenbach mit ihrer Consulting Agency spezialisiert.

Als Beraterin für ganzheitliche Markenkonzepte begleitet sie Unternehmen durch Transformationsprozesse und mobilisiert unausgeschöpftes Potenzial, um die Resilienz und Innovationskraft von Marken in unser immer komplexer werdenden Welt zu stärken. Dabei verbindet sie die zwei Branchen des Design und Fashion. Im Talk mit Christine Fehrenbach erfahren wir mehr über nachhaltige Markenkonzepte und die Bewältigung von Transformationsprozessen.

"Holistisch nachhaltig zu kommunizieren bedeutet, dass man auch das benennt, was noch nicht ganz nachhaltig ist. Ich halte viel von einer offenen und ehrlichen Kommunikation."

Was genau sind holistisch nachhaltige Markenkonzepte, aus welchen Bausteinen bestehen sie?

Eine Marke sollte immer ganzheitlich und somit aus verschiedenen Perspektiven betrachtet werden. Unternehmen, die sich nachhaltig positionieren, müssen auf allen Ebenen verantwortungsbewusst agieren. Von der Transparenz der Supply Chain bis hin zur Fairness gegenüber Mitarbeiter:innen. Kurzum bedeutet das: Ich sollte alle Facetten des Unternehmens einbeziehen und das, was ich vorgebe, in jedem Bereich umsetzen. Das ist nicht ganz einfach, aber notwendig. Dabei geht es nie darum, sofort 100% zu erreichen, sondern um Ehrlichkeit, Transparenz und Glaubwürdigkeit.

Markenkonzepte bestehen aus einer Reihe wesentlicher Elemente - angefangen bei einer scharfen Positionierung. Dazu kommen noch Werte, Differenzierungsmerkmale und Unique Selling Point. In meiner Arbeit mit Kund:innen intensiviere ich diese oder ergänze sie. Oft steht dabei auch das Vermitteln eines Purpose im Mittelpunkt, um der Nachfrage gerecht zu werden. Auch wenn der Begriff heutzutage im Übermaß verwendet wird, ist dieses Thema immer noch eine große Herausforderung für Unternehmen.

Marken müssen einen funktionalen Nutzen übersteigen und für etwas stehen. Der übergeordnete Markenzweck ist heute die Basis der Value Proposition sowie der Kommunikation eines Unternehmens. Und nochmal: Im Sinne eines holistischen Konzepts muss sich dieser auf das interne und externe Unternehmensumfeld beziehen. Es ist es zum Beispiel wichtig, dass Unternehmen ihr Engagement durch Zertifizierungen unterstreichen. Allerdings sollte sich dieses Engagement nicht nur auf einen Bereich, sondern das gesamte Unternehmen beziehen. Heißt: Gewährleistet eine Marke mit Siegel für nachhaltige Produktion auch, dass die interne CO2-Bilanz niedrig ist? Bei der Frage der Ganzheitlichkeit geht es um solche Strukturen, Verbindungen und Stellschrauben.

Transparenz ist das Buzzword der Stunde - Was bedeutet es für die Nachhaltigkeitskommunikation von Unternehmen?

Transparenz zählt zu einem der riskantesten Wörter der Unternehmenslandschaft. Aufgrund von Greenwashing und der damit einhergehenden Skepsis von Konsument:innen muss Transparenz absolut kompromisslos gelebt werden. Was auch bedeutet, Defizite und Baustellen offenzulegen. Es ist kein Problem zu kommunizieren, dass sich das Unternehmen am Anfang einer Umstellung befindet. Konsument:innen auf dem Weg einzubeziehen und Entwicklungen zu teilen, wirkt sich sogar positiv aus. Zu sagen, dass alles bei 100% liegt, ist das Problem.

Meine Empfehlung: Wenn es klar definierte Zielsetzungen gibt - beispielsweise Klimaneutralität bis 2025 - würde ich diese immer direkt kommunizieren. Voraussetzung dafür ist natürlich, dass die Unternehmensführung hinter diesem Plan steht und die entsprechenden Strukturen verankert werden.

Was sind Deine Top-Tipps für Neugründer:innen, um nachhaltige Markenkonzepte erfolgreich umzusetzen?

Erst einmal sollte ich mich fragen, was ich anbiete. Bin ich von meinem Konzept überzeugt? Und adressiert mein Angebot einen wichtigen Mehrwert für Kund:innen - ist es auf dem Markt relevant und ist der Bedarf überhaupt da? Mir fällt immer wieder auf, dass viele Startups es nicht für nötig halten, den Markt zu checken. Stichwort Marktanalyse. Es ist essentiell zu untersuchen, welche Bedürfnisse auf dem Markt existieren, welche Zielgruppen es gibt und welche Lösungen die Konkurrenz bereits anbietet.

Danach gilt es den Markenkern zu definieren. Ist mein Konzept State-of-the-Art? Und zwar in Bezug auf Design und Produktentwicklung. Alle Komponenten müssen zukunftsfähig sein. Entsprechend geht es hier beispielsweise darum, ob Unternehmen kreislauffähige Konzepte wie Repair oder Rental in ihren Strategien berücksichtigen. Dann muss ich entscheiden, was mein Corporate Design ist: Wie trete ich von der Corporate Language bis zur visuellen Umsetzung meiner Produkte nach außen auf? In dieser Phase müssen Unternehmen entscheiden, welche digitalen Kanäle sie nutzen wollen. Je nach Kanal, gilt es hier ein kohärentes Kommunikationskonzept zu erstellen.

Außerdem geht es um die Organisation der Strukturen. Anfangen bei der Entscheidung wie und wo gearbeitet werden soll bis hin zu der Überlegung mit welchen Partner:innen man zusammenarbeiten möchte. Dabei geht es um Kompetenzen. Was ich damit meine: Viele Startups verfügen über Fähigkeiten in spezifischen Bereichen wie Design. Das bedeutet aber gleichzeitig, dass sie nicht alle nötigen Kompetenzen besitzen und deshalb andere Menschen mit relevantem Wissen einbeziehen sollten. Das können Einzelunternehmen oder größere Unternehmen sein - je nach Bedarf und Budget.

Noch ein Tipp: Social Media eröffnen kostengünstige und effiziente Möglichkeiten, um Kund:innen in den Prozess einzubeziehen. Konzepte zu bestätigen, zu überdenken oder ganz neue Ideen zu erhalten. Ein starkes Netzwerk ist heutzutage eines der wichtigsten Assets.

Im Umkehrschluss, wo sollten etablierte Unternehmen bei einer nachhaltigen Transformation als erstes ansetzen?

Als erstes müssen sie sich natürlich fragen, wie umfassend die Transformation sein soll und welches Ziel sie dabei verfolgen. Es kann sein, dass ein Transformationsprozess die DNA eines Unternehmens in Frage stellt und sich disruptiv auf etablierte Strukturen sowie Geschäftsmodelle auswirkt. Der erste Schritt ist somit immer die aktuelle Positionierung zu hinterfragen und sie zu schärfen oder eine Strategie zu entwickeln, die ihre Konturen umwandelt, wenn nicht sogar komplett überholt. So ein Prozess ist hoch komplex und bedarf einer klaren Strategie - Veränderungen passieren Step-by-Step.

Dass Nachhaltigkeit in Unternehmen zu teuer ist, ist übrigens kein schlagkräftiges Argument. Und schon gar kein zukunftsfähiges. Beispielsweise bewegen Vorschriften wie das Lieferkettengesetz Unternehmen schon heute sukzessiv dazu, sich in eine nachhaltige Richtung zu entwickeln. Das heißt: Je eher ich anfange, desto besser - aber eigentlich immer noch zu spät. Wer sich dagegen wehrt, ist einfach nicht für diese Entwicklung gewappnet und muss im Falle einer neuer Gesetzgebung von heute auf morgen reagieren.

Das macht es um ein Vielfaches schwieriger sowie kostenaufwendiger, als sukzessiv vorzugehen. Ich empfehle es Unternehmen immer zu schauen, bei welchem Service oder bei welchem Produkt sie am leichtesten anfangen können und wie sie die neuen Strukturen auf die anderen übertragen können. Vielleicht müssen sie einige Produktgruppen auch einfach aussortieren. Es geht darum Erfahrungswerte zu sammeln und nachhaltig umzusetzen statt ein Sortiment plötzlich rundum umzustellen.

Was bedeuten solche Umstellungen für interne Unternehmensstrukturen?

Bei solchen Umstellungen geht es nicht nur um neue Leistungen oder ein verbessertes Produktsortiment. Die Hauptherausforderung ist, dass sich Prozesse verändern. Gerade in großen Unternehmen müssen sich ganze Abteilungen und Kompetenzen verändern. Das bedeutet viel Aufwand - auch im Hinblick auf Investitionen. Aber Studien bestätigen eben, dass sich Nachhaltigkeit auszahlt. Eines der besten Beispiele dafür ist das Employer Branding. Getrieben von der Generation Z, die soziale und nachhaltige Ansprüche an ihre Arbeitgeber:innen erhebt, bewegen wir uns immer mehr in Richtung sinnstiftende Unternehmen. Langfristig wirkt sich diese Entwicklung auf jeden Fall positiv aus - auch finanziell.

Sehr wichtig ist allerdings auch, die bestehenden Mitarbeiter:innen einzubinden. Und zwar auch, wenn diese noch kein Bewusstsein für Nachhaltigkeit entwickelt haben. Es bietet sich zum Beispiel an Workshops zu veranstalten, um neue Impulse zu setzen und so viele wie möglich einzubeziehen. Letztlich hat es schon einen wichtigen Impact, wenn nur 10% der Mitarbeiter:innen ihre Awareness aufgrund solcher Initiativen schärfen. Eine Anregung: Oft empfiehlt es sich, externe Expert:innen zu konsultieren und den Austausch mit Partner:innen zu suchen, die den Prozess schon durchlaufen haben.

Die schnelllebige Modeindustrie steht vor großen Herausforderungen, wie kann Nachhaltigkeit Marken helfen wettbewerbs- und zukunftsfähig zu bleiben?

Ich glaube, dass sich der ganze Markt mittelfristig verändern wird. Neue Geschäftsmodelle werden zunehmend wichtiger: Der Secondhandmarkt boomt, Konsument:innen kaufen bewusster und Nachhaltigkeit sowie Langlebigkeit sind zum zentralen Kaufkriterium für die Generation Z geworden. Zudem werden immer mehr Gesetze verabschiedet, die Modeunternehmen zu mehr Verantwortung verpflichten. Damit wird Nachhaltigkeit nicht nur zum Key to Success, sondern auch langfristig zur Basis für den anhaltenden Erfolg einer Marke.

Im nächsten Schritt wird es noch einen weiteren Key to Success geben: Mode, die nicht nur qualitätsvoll und schön ist, sondern auch Konsument:innen in den Kreativ- und Gestaltungsprozess einbezieht. So kann die Mode das bleiben - oder wieder zu dem werden - was sie schon immer war: Die Möglichkeit, die Einzigartigkeit einer jeden Person hervorzuheben - einhergehend mit einer Wertschöpfung für das Selbst sowie das Kleidungsstück.

Befinden wir uns tatsächlich an einem Wendepunkt und wie kann man diese nachhaltige Transformation noch beschleunigen?

Es ist wünschenswert, dass sich endlich etwas Grundsätzliches verändert. Das startet mit dem wachsenden Bewusstsein und mit dem Wunsch, anders zu handeln - starre Strukturen zu durchbrechen. Dazu braucht es Menschen, die erkennen, dass jede oder jeder Einzelne diesen Prozess beschleunigen kann. Natürlich gibt es auch immer mehr Gesetze, die ich in diesem Zusammenhang als sehr wert- und sinnvoll ansehe. Trotzdem geht es um die Menschen, die Mode konsumieren und die Entwicklung der Mode mit jeder Handlung gestalten. Und da ich nur bedingt zuversichtlich bin, dass unsere Gesellschaft dem "schneller, weiter, billiger"abgeschworen hat, hoffe ich zwar aber kann nicht final sagen, ob wir bereits am Wendepunkt sind.

Bildung ist genau deshalb ein riesen Thema. Wir brauchen viel mehr Education und Zusammenarbeit. Unternehmen sollten all ihre Stakeholder:innen einbeziehen und Kooperationen eingehen, um noch mehr Impact zu leisten. Ich finde es unfassbar wichtig, mit einem starken Netzwerk zusammenzuarbeiten, das Synergien und positiven Wandel mithilfe von Wissensaustausch und Wertschätzung hervorbringt. Innerhalb dieser Netzwerke lässt sich Bewusstsein schärfen und in Taten umsetzen, sodass die Diskrepanz zwischen Rhetorik und Handlung endlich geschlossen werden kann. Aus dieser Überzeugung heraus werden ich und auch viele andere alles dafür tun, dass die Transformation gelingen kann.

Vielen Dank für das Interview, liebe Christine 

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